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27 März 2014

Interview mit Prof. Dr. Oertel

Experten-Interview mit Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wolfgang H. Oertel

prof-wolfgang-oertelProf. Oertel ist Professor und Facharzt für Neurologie und seit 1996 Direktor der Klinik für Neurologie an der Philipps Universität Marburg und des Universitätsklinikum Marburg.

Er ist Sprecher des Kompetenznetzes Parkinson Syndrom und der German Parkinson Study Group (GPS) und leitet das einzige deutsche Center of Excellence der National Parkinson Foundation (NPF-USA).

Des Weiteren ist er Fachgutachter der DFG und zahlreicher nationaler und internationaler Forschungsförderprogramme, Mitglied des Editorial Board bei drei internationalen Zeitschriften, Mitglied des Fachbereichsrates Humanmedizin der Philipps Universität Marburg, Vorstandsmitglied wissenschaftlicher Vereinigungen wie der Deutschen Parkinson Gesellschaft (Präsident), der Movement Disorder Society – European Section (Past‐Chairman) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (1. Vorsitzender) sowie Verfasser von über 450 Originalpublikationen.

Prof. Oertels Forschungsarbeit wurde bereits mit dem Parkinson‐Preis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und dem Dingebauer Parkinson‐Preis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ausgezeichnet.

Wie ist der heutige Stand der Parkinson-Forschung?

In den letzten Jahren hat insbesondere die genetische Forschung dazu beigetragen, dass wir mindestens 12 Parkinson-Gene kennen, die etwa 15 – 20 % der Erkrankung erklären. In der Diagnostik sind wir auch relativ weit, mit den zur Verfügung stehenden Methoden gelingt es in einem hohen Grade, die Parkinson-Krankheit bereits im frühen Stadium von anderen der Parkinson-Krankheit ähnlichen Erkrankungen abzugrenzen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es heute? Welche in naher Zukunft?

In der Apotheke gibt es ausschließlich Medikamente zur Symptom-Linderung. Die Medikamente verzögern – leider – nicht den Verlauf der Erkrankung. Wir können dem Patienten also bisher keine Behandlung anbieten, die den Verlauf der Erkrankung verzögert.

Diesbezüglich hat jedoch in der forschenden pharmazeutischen Industrie, aber auch in den Forschungsinstitutionen und in den Universitäten ein Umdenken begonnen. Man sucht jetzt aufgrund der neuen Erkenntnisse der genetischen Forschung und Kenntnisse in anderen Bereichen der Ursachenforschung nach Substanzen, die den Verlauf der Erkrankung möglicherweise günstig beeinflussen. Hierzu gehören z.B. Ansätze in der Immuntherapie, im Versuch, die Eiweißverklumpung im Gehirn von Parkinson-Patienten zu verzögern, bzw. zu verhindern, den Energiehaushalt des Gehirns zu verbessern oder mit Wachstumsfaktoren das Überleben von Dopaminzellen im Gehirn zu unterstützen.

Alle diese Studien – abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen – befinden sich allerdings im Stadium der präklinischen Testung, d.h. entweder in der Gewebekulturüberprüfung oder im Tierexperiment. Hier haben wir allerdings das Problem, dass die existierenden Tiermodelle die Parkinson-Krankheit des Menschen nicht in allen Aspekten abbilden, d.h. auch wenn ein Medikament im Tiermodell einen günstigen Effekt zeigt, heißt dies nicht automatisch, dass es beim Patienten die gleiche Wirkung haben wird.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem ParkinsonFonds Deutschland?

Der ParkinsonFonds Deutschland ist eine Forschungsförderorganisation, die sich durch einen hohen Grad von Effizienz auszeichnet. Die Zusammenarbeit besteht darin, dass meine Gruppe z.B. Forschungsanträge von anderen Arbeitsgruppen an den ParkinsonFonds Deutschland beurteilt.

Ich kann die Zusammenarbeit als sehr sachbezogen und effektiv bezeichnen.

Entscheidungen über Forschungsförderungen werden zügig gefällt und die Förderung mit geringem bürokratischem Aufwand umgesetzt. Das heißt, die Forschungsspende kommt nahezu ungekürzt den forschenden Ärzten/Innen und Wissenschaftler/Innen zugute.

Wie würden Sie die Arbeit der ParkinsonFonds Deutschland beschreiben?

Ich bin sehr beeindruckt, welche Leistungen der ParkinsonFonds Deutschland bereits erzielt hat und kann nur hoffen, dass der ParkinsonFonds Deutschland weiterhin Forschungsgelder sammelt, um in Deutschland die Parkinson-Forschung zu unterstützen.

Bitte berichten Sie über Ihr Forschungsprojekt, das von ParkinsonFonds Deutschland (mit)gefördert wird

Wir erhalten derzeit eine Teilfinanzierung für die Organisation einer großen Studie, die NIC-PD heißt. Diese Studie untersucht zum ersten Mal den Einfluss von Nikotin auf den Verlauf der Parkinson-Krankheit.

Die Studie bezieht Patienten ein, die gerade an der Parkinson-Krankheit erkrankt und bisher nicht oder fast nicht behandelt worden sind. Die Patienten erhalten dann entweder unter sogenannten doppelblinden Bedingungen (d.h. weder der Arzt noch der Patient wissen, welches Medikament er erhält) ein Pflaster, das Nikotin enthält oder ein Pflaster, das genauso aussieht wie das Nikotin-Pflaster, aber keinen Wirkstoff enthält.

Der ParkinsonFonds Deutschland hat hierfür einen Betrag von 150.000 EUR für einen Zeitraum von 3 Jahren zur Verfügung gestellt, um die Qualität der Datenerhebung zu kontrollieren und die Koordinierung dieses Projektes zu sichern.

Das einmalige an diesem Projekt ist, dass wir nicht nur von dem ParkinsonFonds Deutschland gefördert werden, sondern auch von der Michael J. Fox Foundation. Die Michael J. Fox Foundation unterstützt im Wesentlichen die Arbeit der amerikanischen Partner. Es handelt sich hier um das erste transatlantische Projekt in der Parkinson-Forschung: nämlich die Zusammenarbeit der ‚German Parkinson Study Group‘ und der ‚Parkinson Study Group USA‘.

Warum ist Forschung so wichtig und weshalb ist es so wichtig, dass Menschen in Deutschland sie mit ihren Spenden finanzieren helfen?

Forschung bei der Parkinson-Krankheit ist extrem wichtig, da wir im Vergleich zu vielen anderen Erkrankungen bestimmte Dinge bereits wissen. Wenn entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden, können diese Erkenntnisse weiter ausgebaut werden, was in absehbarer Zeit dazu führen sollte, dass der Verlauf der Krankheit verzögert werden kann.

Wobei hier noch ganz besonders zu betonen ist, dass wir mittlerweile in der Lage sind, eine Subgruppe der Parkinson-Patienten 15 – 20 Jahre vorher zu erkennen.

Wenn wir uns also mit entsprechender finanzieller Unterstützung von z.B. dem ParkinsonFonds Deutschland auf diese Thematik konzentrieren, wäre es durchaus denkbar, dass man bei diesen Patienten Medikamente zum ersten Mal einsetzt, von denen man annimmt, dass sie die Parkinson-Krankheit verzögern. Diese Subgruppe von Menschen, die später an der Parkinson-Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken werden, leiden an der sogenannten REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Diese REM-Schlaf-Verhaltensstörung zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten sich völlig normal bewegen, nur dass sie im Traum sprechen und im Traum um sich schlagen und aggressiv träumen.

Wie ist die Tendenz für die Zukunft? Wird die Zahl der an Parkinson Erkrankten steigen?

Ja, die Zahl der Parkinson-Patienten wird sich verdoppeln und zwar gehen wir davon aus, dass dies in den nächsten 50 Jahren passiert.

 

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