Der britische Gitarrist Alan Gascoigne (73) kann einen beeindruckenden musikalischen Lebenslauf vorweisen. Seine Parkinson-Erkrankung bremst ihn zwar, doch er kann noch immer mit Vollgas Gitarre spielen. Dabei sieht er mit seinem langen Pferdeschwanz tatsächlich aus wie ein Rockstar und spielt jeden Tag auf seiner Gitarre. „Nicht schlecht, oder?“, sagt er und streckt uns seine Hände hin. „Das Zittern ist gar nicht so schlimm.“
Er hatte gerade seinen Ruhestand angetreten, als Alan 2013 erfuhr, dass er Parkinson hat: „Von 2004 bis 2013 habe ich als Musiklehrer an der weiterführenden Schule hier im Dorf gearbeitet, doch in den letzten zwei oder drei Jahren habe ich mich nicht mehr so gut gefühlt. Ich war ständig müde, und es fiel mir schwer, mich zu bewegen. Meine linke Hand zitterte, und ich hatte kaum noch Kraft in meinem Körper. Es erscheint im Nachhinein als dumm, aber ich bin erst zum Arzt gegangen, als es schon zu spät war. Obwohl ich genau spürte, dass etwas mit mir nicht in Ordnung war.“
Ein Hirnscan bestätigte die Diagnose Parkinson, doch Medikamente brachten innerhalb eines Monats Besserung. Zunächst wussten nur ein paar enge Bekannte von Alans Parkinson-Erkrankung. „Nicht, dass ich mich schämte, aber ich hatte Angst davor, als ‚krank‘ abgestempelt und nicht mehr gebraucht zu werden. Darum habe ich meine Krankheit anfangs geheim gehalten. Der Punkt, ab dem ich es jedem erzählen wollte, kam automatisch, und das war auch gut so: Ich habe unheimlich viele aufmunternde und positive Reaktionen erhalten.“
Alan lebt bereits seit mehr als 40 Jahren mit seiner großen Liebe Margo zusammen. Margo hat COPD und leidet auch unter ihrer Krankheit, doch die beiden lachen trotzdem oft gemeinsam über sich selbst. „Dann sagt Margo: ´Sieh dir uns bloß mal an: Ich mit meinem Inhalator und du mit deinem Geschüttel!´. Wir kaufen gemeinsam ein, aber haben eine Haushaltshilfe. Da hat Parkinson schon seine Vorteile: Ich kann nicht viel im Haushalt helfen. Zum Glück wirken die Medikamente bei mir immer noch sehr gut. Und was das Zittern angeht, habe ich einen Trick: Wenn es anfängt, schüttle ich meinen Arm einfach nach hinten, und das Zittern hört auf.
Natürlich merke ich, dass es langsam mit mir bergab geht; beim Gehen zum Beispiel stößt mein Fuß auf den Boden, statt gleichmäßig abzurollen. Außerdem habe ich Schmerzen im unteren Rücken und in der rechten Hüfte. Kraft-, Konditions- und Gleichgewichtstraining zweimal pro Woche helfen, und wenn meine Situation so bleibt, wie sie jetzt ist, bin ich weiter dabei. Und zum Glück gelingen mir die Gitarrenläufe noch immer mühelos!“
Alan akzeptiert seine Krankheit: „Parkinson zu bekommen, ist einfach Pech. Aber es ist, wie es ist. Immerhin bin ich auch schon 73 Jahre alt − viele meiner Freunde haben es nicht einmal bis 60 geschafft.“ Gemeinsam mit seinem Sohn, der ebenfalls Musiker ist, schreibt er immer noch neue Lieder, und sein Freund Paul nennt ihn ein wandelndes Pop-Lexikon. Als er acht Jahre alt war, kaufte er sich von seinem selbst verdienten Geld seine erste Gitarre und wurde später Mitglied einer Band. „Als wir einmal in einem Theatercafé in Islington spielten, fragte mich jemand, ob ich für die Band Screaming Lord Sutch vorspielen wollte. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, denn Jeff Beck, Jimmy Page und Ritchie Blackmore hatten dort auch gespielt. Das Vorspielen fand im Lyceum Theatre in der Shaftesbury Avenue statt, wo schon Musiklegenden wie Eric Clapton und The Who gespielt hatten. Als ich ankam, wurde ich als ´der neue Gitarrist´ vorgestellt. ´Wir beginnen mit Bye Bye Johnny in B-flat´, sagte Leadsänger David Sutch. Ich spielte den Song, der Vorhang öffnete sich und im Publikum saßen 1.700 Zuschauer. Ich hatte keine Ahnung, dass das ein echter Auftritt werden würde! Danach hörte ich ´Okay Alan, du bist an Bord´.“
Mit Screaming Lord Sutch tourte Alan durch ganz England und trat am 5. August 1972 bei der London Rock and Roll Show im Wembley-Stadion auf. Das erste Rockkonzert in einem Fußballstadion, mit Little Richard, Jerry Lee Lewis und Chuck Berry als Hauptakteure – ein unvergessliches Erlebnis. Später wurde Alan Gitarrist bei der 70er-Jahre-Rockband Desperate Dann. „Das war die beste Band, in der ich je gespielt habe: rockig, funky, sehr energiegeladen. Der Sänger Tim Disney war mein bester Kumpel. Nach unserer Europatournee haben wir die Tim Disney Band gegründet und hatten eine tolle Zeit zusammen.“
Bis vor zwei Jahren trat Alan noch live als Musiker auf. „Ich glaube, ich müsste jetzt eine sitzende Vorstellung geben. Stehen und viel Bewegen ist für mich leider nicht mehr drin.“ Sein Freund Paul ist traurig über Alans Krankheit: „Es passierte ganz allmählich über die letzten zehn Jahre: Zuerst fiel mir sein ´Pinguin-Gang´ auf, und später konnte er nicht mehr allein auf eine hohe Bühne steigen. Die Parkinson-Krankheit beginnt sehr schleichend.“ Doch Alan bleibt bei alledem fröhlich: „Paul ist eine enorme Unterstützung für mich. Uns verbindet eine besondere Freundschaft, bei der sich alles um Musik dreht.“
Alan möchte das Leben auch weiter so sehr wie möglich genießen. „Vor allem mit meiner Familie. Seit Kurzem habe ich ein neues Hobby: unseren Enkel Otto. Er ist erst eineinhalb Jahre alt, aber schon sehr musikalisch. Supercool! Ich brauche nicht zu reisen, Lichtenvoorde reicht mir völlig aus. Lasst mich einfach weiter Musik machen. Vielleicht in einer Parkinson-Band – da spielen wir dann Songs wie ´Shake, Rattle and Roll´, ´A Whole Lotta Shakin´und ´Shake Your Money Maker´.“
Spenden für die Parkinson-Forschung
In einem unserer früheren Newsletter berichtete Alan über seine Spendenaktion für den ParkinsonFonds. Auf dem Album ´Restless Wind and Assorted Country Songs´ hat er neun seiner eigenen Songs in verschiedenen Country-Stilen zusammengestellt. Sie können das Album über YouTube kostenlos anhören und herunterladen. Doch Alan hat eine Bitte: „Wenn Ihnen das Album gefällt, spenden Sie bitte für den ParkinsonFonds.“