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25 Oktober 2012

Wie die Umwelt unser Erbgut beeinflusst: Epigenetik

Von:
Prof. Dr. U. Wüllner, Dr. I. Schmitt, Dr. O. Kaut
Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Bonn
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Abstrakt:
In letzten Jahren haben Wissenschaftler viel über das menschliche Erbgut gelernt, das in den Chromosomen in jeder Zelle unseres Körpers gespeichert ist. Die eigentlich Erbinformation ergibt sich aus der Abfolge besonderer sogenannter Desoxyribonukleinsäuren (DNS oder DNA), die ähnlich wie Morsezeichen für das Alphabet eine

Kodierung für die verschieden Bausteine unseres Körpers bilden. Würde man diese „Morsezeichen“, die DNA – Moleküle, aneinanderreihen, würde sich die unglaubliche Strecke von 2 Metern ergeben. In jeder einzelnen Zelle unseres Körpers ist im Zellkern tatsächlich eine solche DNA-Kette auf besonderen Eiweißen (Histonen) „aufgewickelt“.

Die Beschaffenheit dieser Kette ist von Stück zu Stück unterschiedlich. Auf manchen Abschnitten sind die verschieden „Baupläne“ und Informationen für alle Zellen und Zellbestandteile unseres Körpers gespeichert: dann spricht man von einem Gen. Manche Abschnitte sind vermutlich im Laufe der Millionen Jahre dauernden Evolution von Viren und Pflanzen, die frühe Vorfahren der Säugetiere mit der Nahrung zu sich genommen haben, aufgenommen und in das Erbgut integriert worden. Zu irgendeinem Zeitpunkt der Entwicklung müssen diese Erbinformationen für das Fortbestehen unserer Vorfahren nützlich gewesen sein, denn sonst wären die Lebewesen, die diese neuen Informationen aufgenommen und weitergetragen haben, in der Evolution nicht erfolgreich gewesen. Andere Abschnitte speichern die Informationen für die Aktivität des Erbguts: sie regeln, ob die Baupläne gelesen und umgesetzt werden.

Diese Regulationsprozesse, die zusätzlich zu den eigentlichen in den Genen abgelegten Bauplänen über die Eigenschaften von Zellen und Organismen entscheiden, werden als „epigenetisch“ bezeichnet. Die griechische Vorsilbe „Epi“ bedeutet „um-herum“ oder „zusätzlich“ und im heutigen Sprachgebrauch versteht man unter Epigenetik diejenigen (auch vererbbaren) Veränderungen unseres Erbguts, die nicht in der Abfolge der DNA – Moleküle (den Morsezeichen) selbst festgelegt sind.

Dabei spielt eine chemische Veränderung der DNA (genau: Methylierung) eine große Rolle; DNA-Methylierung regelt welche Baupläne in welcher Zelle „freigegeben“ und gelesen werden. Diese chemische Veränderung der DNA ist wahrscheinlich in der Evolution entstanden, um zu verhindern, dass fremde, in die Zellen aufgenommene DNA abgelesen und die fremden „Baupläne“ in der eigenen Zelle realisiert werden. Heute sehen wir, dass diese Methylierung einen fundamentalen Einfluss auf das Erbgut hat. So wird z. B. bei Frauen, die ja zwei X-Chromosomen besitzen (XX, im Gegensatz zu Männern: XY) in allen Körperzellen jeweils ein ganzes X-Chromosom durch Methylierung abgeschaltet, um zu verhindern, dass diese Doppelinformation Schaden anrichtet. Besonders in sehr frühen, für die weitere Entwicklung des Embryos kritischen Lebensphasen können auch Hungerperioden der Mutter oder besonderer Stress die Methylierung des Erbguts des Embryos beeinflussen. Die Gesamtheit der Methylierung der DNA (des Genoms) wird auch als „Methylom“ bezeichnet.

Dieses Methylierungsmuster stellt in gewisser Weise so etwas wie das Gedächtnis des Erbgutes für Umwelteinflüsse dar. Möglicherweise finden sich auch bei manchen Krankheiten Veränderungen dieser für das Erbgut so wichtigen Regulationsmechanismen. Erste Hinweise hierfür gibt es aus Untersuchungen von Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen der Psyche, es gibt aber auch Hinweise, dass epigenetische Veränderungen bislang offene Fragen in der Parkinson-Forschung erklären könnten, etwa den oft vermuteten, aber letztlich nicht bewiesenen Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen und der Ausprägung der Erkrankung oder die familiäre Häufung von Parkinson in dem weiteren Familienkreis ohne dass eine Erbkrankheit im klassischen Sinne, nämlich mit Mutationen, d. h. Veränderungen des DNA-Stranges selbst nachgewiesen werden können.

Mit unseren Untersuchungen wollen wir klären, ob Menschen mit Parkinson-Krankheit eine besondere Veränderung im Methylierungsmuster zeigen, und ob vielleicht fälschlicherweise an- oder abgeschaltete Gene zur Entstehung der Erkrankung beitragen könnten.

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