Prof. Oertel, der bereits 2013 mit der Hertie-Senior-Forschungsprofessur Neurowissenschaften für langjährige Spitzenleistungen in der Hirnforschung ausgezeichnet wurde, ist ein Experte in der Parkinson-Forschung. Seine Studien zählen zu den weltweit erfolgversprechendsten und werden vom ParkinsonFonds Deutschland gefördert.
Im November letzten Jahres verlieh die Europäische Dachorganisation Neurologischer Patientenorganisationen (EFNA) Professor Wolfgang H. Oertel den ‚Lifetime Achievement Award‘ für sein Lebenswerk.
„Professor Oertels breite wissenschaftliche Vision, seine unermüdliche Arbeit in den Europäischen Institutionen, verbunden mit einem aktiven Interesse für Patientenorganisationen in der Neurologie machen diesen Preis zu etwas Besonderem“, so EFNA, die diesen Preis erstmalig an einen Wissenschaftler verliehen hat.
Unsere Fragen an Professor Dr. W. Oertel:
Meine Arbeitsgruppe hat drei Hauptziele:
Die Entdeckung von Mutationen (Veränderungen) von Genen, die die Parkinson-Krankheit in seltenen Fällen bedingen oder das Auftreten der Parkinson-Krankheit begünstigen. Dieser Durchbruch in der Erforschung der Erbanlagen für eine Parkinson-Krankheit erfolgte zwischen 1996 und 2010. Diese Erkenntnisse haben uns gezeigt, welche Mechanismen im Körper gestört sein müssen, damit die Parkinson-Krankheit entstehen kann. Wichtig ist, dass diese Erkenntnisse der genetischen Forschung auch für die Parkinson-Patienten von großer Bedeutung sind, die nicht an einer der eher seltenen erblichen Formen der Parkinson-Krankheit leiden. Hierauf aufbauend werden jetzt gezielt unterschiedliche Behandlungsverfahren erforscht und entwickelt. Die Zeitangaben verdeutlichen, wie lange Forschung dauern kann und wie aufwendig und teuer daher Forschung ist. Ist diese Errungenschaft für Morbus Parkinson in ihrer Bedeutung vergleichbar mit der Entdeckung der Immuntherapie bei der Behandlung von Krebs? Nein, erst wenn es gelungen ist, aufgrund dieser genetischen Erkenntnisse Medikamente zu entwickeln, die den Verlauf der Parkinson-Krankheit verzögern oder sogar stoppen, können wir von einem wirklichen Durchbruch in der Behandlung der Parkinson-Krankheit sprechen.
Es ist uns – in enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie der Universität Würzburg – innerhalb von nur 4 Jahren gelungen, einen einfachen Test für die Frühdiagnose der Parkinson-Krankheit zu entdecken. Es handelt sich um den Nachweis des Eiweißes alpha-Synuclein in aggregierter (verklumpter) Form in Hautnerven des Menschen. Die Bildung von verklumptem alpha-Synuclein im Gehirn gilt als ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung der Parkinson-Krankheit. Und wir können jetzt dieses verklumpte Eiweiß alpha-Synuclein in einer winzigen Hautprobe bei den Menschen nachweisen, die an der REM-Schlafverhaltensstörung leiden. Menschen, die an der REM-Schlafverhaltensstörung leiden, besitzen ein hohes Risiko von mehr als 80%, an der Parkinson-Krankheit in 10 bis 15 Jahren zu erkranken.
Zweitens ist es uns im gleichen Zeitraum gelungen, erstmals ein Mausmodell der Vorphase der Parkinson-Krankheit zu etablieren (siehe 1). Beide Forschungsprojekte wurden und werden vom ParkinsonFonds Deutschland unterstützt. Ohne diese Förderung hätten beide Projekte nicht durchgeführt werden können.
Ja, wir werden irgendwann in der Lage sein, das Fortschreiten der Erkrankung bei vielen Parkinson-Patienten zu verzögern, vielleicht sogar das Ausbrechen der Erkrankung hinauszuschieben. Es wäre vermessen, eine Jahreszahl zu nennen. Aber innerhalb der nächsten 50 Jahre dürfte ein entsprechendes Medikament zur Verfügung stehen. Mit ein bisschen Glück und ausreichender Forschungsförderung kann dies vielleicht schon in 10 Jahren klappen. Im Moment fehlt es nicht an einer zielführenden Strategie, sondern an den Geldern, die erlauben, die drängenden Fragen schnell zu klären.
Der ParkinsonFonds Deutschland ist ein Segen für die deutsche Parkinson-Forschung. Er fördert zügig und mit einem geringen bürokratischen Aufwand insbesondere Projekte mit neuen und durchaus unkonventionellen Ideen, die im Rahmen der üblichen Förderrichtlinien der öffentlichen Hand nur schwierig eine Finanzierung erhalten. Es wäre zu wünschen, wenn die Fördersummen des PFD anstiegen, auch um den wissenschaftlichen Nachwuchs besser fördern zu können. Die Projekte, die wir in den letzten Jahren mit unerwarteten Erfolgen abgeschlossen haben (Mausmodell, Nachweis von verklumptem alpha-Synuclein in der Haut, die Suche nach einem prodromalen Progressionsmarker) sind vom PFD gefördert worden. Wir führen auch Forschungen an mehreren anderen Themen über die Parkinson-Krankheit durch, nur die wirklich wichtigen Projekte hat der PFD unterstützt. Der PFD ist bereit, eine Förderung für Projekte auszusprechen, die neue Wege in der Forschung gehen.