„ Die Zauberworte für uns alle heißen ‚akzeptieren, offen damit umgehen, um Hilfe bitten‘!“
Edda Reichardt wurde 1936 geboren und erhielt im Jahr 2002, im Alter von 65 Jahren, die Diagnose ‚Parkinson‘. Damals versprach der Arzt einen voraussichtlich gutartigen Verlauf, was sich bis heute bewahrheitet hat. Doch nach vielen Jahren ist Parkinson nun langsam auf dem Vormarsch. Sie ist Mitglied der Parkinson-Selbsthilfegruppe ‚evanda‘ in Frankfurt am Main, die für ihre mentale und körperliche Bewältigung der Krankheit eine große, wenn nicht gar die Hauptrolle überhaupt, spielt. Sie ist sehr froh darüber, dass sie ihre verbliebene physische und psychische Energie dort einbringen kann.
Ich möchte heute über meine Erfahrungen mit meiner Parkinson Krankheit, meinen Mit-Betroffenen, der Außenwelt und meiner Familie sprechen.
Die ersten zehn Jahre bezeichnen die Ärzte als ‚Honeymoon‘, bevor es richtig ernst wird. So ist es auch bei mir. Nach 13 Jahren merke ich nun eine zunehmende Verschlechterung der Symptome.
Ja, wie geht man damit um? Wie gehen die Nicht-Betroffenen mit uns um? Die Zauberworte für uns alle heißen ‚akzeptieren, offen damit umgehen, um Hilfe bitten‘. Ok, ich akzeptiere, was bleibt mir auch anderes übrig. Aber tief drinnen, ganz tief, kann ich es nicht akzeptieren. Dabei frage ich mich nicht „Warum ich?“, sondern eher „Warum ich eigentlich nicht?“.<
Ja, das habe ich. Seit 13 Jahren leide ich an Morbus Parkinson und seit fünf Jahren bin ich aktives Mitglied des Selbsthilfevereins ‚evanda – Leben mit Parkinson e.V.‘. Ich bin auf diese Gruppe Betroffener anlässlich des Selbsthilfetages auf dem Römer in Frankfurt am Main gestoßen. Sie war dort die einzige Gruppe, die die Parkinson-Krankheit mit einem Informationsstand vertrat. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, antwortete die liebenswürdige Dame am Stand: „Kommen Sie zu uns, wir helfen Ihnen“. Mir wurde geholfen, bis heute.
Ich kam, nahm Platz, wurde akzeptiert und blieb. Da meine Töchter und Enkel weit weg wohnen und mein Mann vor sieben Jahren gestorben ist, nahm diese Gruppe sozusagen Familienstatus ein und ist ein ganz wesentlicher Teil meines Lebens geworden.
Ja, das ist sie. Meine 19jährige Enkelin lebt mit ihrer Mutter, meiner Tochter, in München. Sie sagte mir neulich: „Wenn Du uns nicht mehr besuchen kannst, komme ich zu Dir – ich komme immer.“
Ich finde schon, wenn man offen mit der Krankheit umgeht. In meinem Supermarkt an der Ecke habe ich mich vor einiger Zeit ‚geoutet‘, da ich doch häu g torkle, und damit man nicht denkt, ich sei betrunken. Der relativ junge Marktleiter legte mir den Arm um die Schulter und sagte: „Wir helfen Ihnen immer.“
Es freut mich, wenn die Menschen freundlich und hilfsbereit sind. Vor kurzem, zum Beispiel, besuchte ich Freunde, zu deren Haustür außen eine Treppe mit acht Stufen führt. Die Haustür stand wegen Renovierungsarbeiten offen, unten am Geländer
lehnte ein sehr junger Arbeiter und rauchte. Ich bat ihn, für einen Augenblick das Geländer für mich frei zu machen. Er richtete sich auf, winkelte seinen Arm an und sagte: „Ich führe Sie die Treppe hinauf.“ Ich hakte mich ein
und wir schritten wie zum Tanz diese Stufen rauf. Oben machte er eine leichte Verbeugung und sagte: „Es war mir eine Ehre!“
Zu den Parkinson-Erkrankten möchte ich die Worte sprechen, denen ich so häu g begegne: „Kommen Sie zu uns, wir helfen Ihnen.“ Suchen Sie eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe und lassen Sie sich helfen. Zu den Angehörigen sage ich: „Parkinson hat viele Gesichter, so sind wir auch langsam, sehr langsam in unseren Verrichtungen geworden. Haben Sie Geduld, bieten Sie Hilfe an, aber entmündigen Sie uns nicht. Vielleicht können Sie sogar Ihr eigenes tägliches Tempo überdenken und einen Gang zurückschalten. Und bedenken Sie bitte auch, wir Betroffenen haben uns diese Krankheit nicht ausgesucht.“
Spenden Sie jetzt für die Forschung zur Vorbeugung und Heilung der Parkinson-Krankheit.